Lieblingsflecken
Browsing Tag

Wandern in der Pfalz

Von Teufelsköpfen und dem Silbertal: Wandern in der Pfalz ist alles nur nicht langweilig

By 16. April 2015 Deutschland, Popular Posts
Eselsweg Pfalz

Spontan kommt oft unverhofft. Plötzlich hatten wir ein Wochenende frei, keine Termine, keine gemeinsamen Abendessen, alle hatten abgesagt und an einem Donnerstag entschieden wir: wir fahren in die Pfalz! Die Sonne sollte scheinen an diesem zweiten Wochenende im April und wir sehnten uns, wie so oft, nach den Weinbergen, dem Pfälzer Wald, dem Singsang der “Pälzer”, dem guten Essen und dem Wein.

So kurzfristig in der Pfalz ein Zimmer zu bekommen, kann mit Schwierigkeiten verbunden sein, denn sobald die berühmte Mandelblüte sich zeigt, gibt es für die Pfalzliebhaber kein Halten mehr. Noch bevor die Weinfeste beginnen, platzt die Pfalz aus allen Nähten. In diesem Jahr bietet sie noch einen Grund mehr, denn ab dem 17. April öffnet Landesgartenschau in Landau ihre Pforten und wird vermutlich noch ein paar mehr Gäste anziehen. Aber keine Sorge, Massentourismus findet man hier selten, es verläuft sich gut, und der Pfälzer Wald, der ist groß. Wie wir am eigenen Leib bemerkt haben.

Wir haben ein letztes Zimmer mit einem ein Meter vierzig breiten Bett unter dem Dach des Gästehauses in Deidesheim ergattert. Es liegt zentral wie eigentlich alles in Deidesheim und ist durchaus zu empfehlen. Einfach, ordentlich mit freundlichen Zimmern und fairen Preise. Unser kuscheliges Zimmer unter dem Dach gefällt mir auf Anhieb. Nur der Mann an meiner Seite ist skeptisch ob der begrenzten Liegefläche. Die Nacht, sie liegt noch weit entfernt.

Deidesheimer Hof

Wahrzeichen von Deidesheim: der Deidesheimer Hof

Wir starten heute mit einen Spaziergang durch die Weinberge, nichts Anstrengendes, erst einmal akklimatisieren und ankommen. Am Himmel ziehen Wolken entlang, die Sonne kann sich noch nicht so recht durchsetzen und ein leichter Nordwestwind bläst uns entgegen. Macht nichts, wir sind glücklich und marschieren von Deidesheims Stadtmitte in Richtung Nachbarort Forst, vielleicht ein Begriff durch das Forster Ungeheuer, eine große Lage, deren Name laut Wikipedia auf den einen Amtsschreiber Johann Adam Ungeheuer mit Wohnsitz im benachbarten Deidesheim zurück geht. Er verstarb im Jahr 1699 und sein Grabmal steht an der alten Kirche  im nahen Mußbach. Dort befindet sich übrigens die Weinlage mit dem schönen Namen “Mußbacher Eselshaut“, die wiederum zur “Gimmeldinger Meerspinne” gehört. Und so geht es weiter mit den phantasievollen Weinnamen in der Pfalz. Und das sagt, so finde ich, schon viel über das fröhliche Gemüt der Pfalzmenschen.

Windschiefes Häuschen in der Pfalz

Windschiefes Häuschen am Wegesrand: wohnt da wer?

In den Weinbergen wird schwer gearbeitet an diesem Samstag. Im Frühling haben die Winzer gut zu tun, denn der Rebschnitt will gemacht werden, und zwar bis spätestens Mitte April wenn die ersten Reben austreiben. In der Vergangenheit, so lese ich nach, war es üblich, dass die Winzerfrauen und ihre Helferinnen mit geschickten Händen das Rebenbinden übernahmen. Ausgerüstet mit einem Bündel gut gewässerter Weideruten und einem kleinen, aber scharfen Messer waren die „Heften-Weiber“ im März und April mit dem Biegen und Anbinden tausender Fruchtruten beschäftigt. Der Arbeitszeitbedarf beträgt bis zu 40 Stunden für einen Hektar und es werden bis zu 20.000 Bindungen angebracht. Neben dem natürlichen Material wie Weide oder Kordel stehen für diese Arbeit nun auch Materialien aus Draht und Kunststoff und dafür taugliche Hilfsmittel wie Bindezangen zur Verfügung. Dadurch verringern sich der Arbeitszeitbedarf und die Materialkosten.  (Quelle)  Wir sehen allerhand grüne und blaue und gelbe Bindungen an den Reben, es wird ja auch Zeit: Mitte April ist jetzt.

 

Unterwegs in den Weinbergen in der Pfalz

Unterwegs in den Weinbergen in der Pfalz

Unser Weg führt uns bis kurz vor Forst, von hier nehmen wir eine Abzweigung nach links in Richtung Pfälzer Wald und wandern auf einem Parallelweg zurück Richtung Deidesheim auf dem Wanderweg Deutsche Weinstraße mit Blick über die Weinberge weit hinein in die Ebene. Selbst bei einem verhangenen Tag wie diesem lohnt es sich. Wir passieren den Deidesheimer Paradiesgarten, selbstverständlich auch eine Weinlage, und schlagen uns dann wieder nach rechts bergabwärts zurück nach Deidesheim.

IMG_0513

Essen und Trinken in Deidesheim

In der Weinbar 1911 am Marktplatz in Deidesheim kehren wir auf eine Traubensaftschorle und Kaffee ein. Die stylische Bar ist mit viel Holz in klaren Linien eingerichtet, draußen stehen Tische und Stühle direkt gegenüber vom berühmten Deidesheimer Hof, in dessen Restaurant unser Altkanzler Kohl sehr gerne die Pfälzer Spezialität Saumagen zu sich nahm. Kann man machen, muss man aber nicht, die Pfälzer schwören darauf.

Für den Abend haben wir einen Tisch im Turmstübl in der gleichnamigen Turmstrasse reserviert. Inhaber Volker Rau und Véronique Poignohec  schreiben auf der Website über den Küchenstil: “Unsere Küche drängt sich nicht in den Vordergrund sondern sucht das Spezielle im Alltäglichen.” Die Beschreibung trifft es. Die Karte zeigt zu dieser Jahre selbstverständlich den ersten Spargel in zahlreichen Variationen, außerdem Corden Bleu oder die Klassiker wie Bratwurst, Leberknödel oder Saumagen mit Sauerkraut und Brot. Außerdem Weinkäse mit Preiselbeeren, Ofengemüse mit Schafskäse und oder Blattsalate sowie Sekt und Wein von den Weingütern Reichsrath von Buhl aus Deidesheim oder dem Weingut Mehling. Empfehlenswert, besonders schön auch im Sommer, denn dann sitzt man windstill in einem kleinen Innenhof, umgeben von dicken Sandsteinmauern. Romantisch!

Der Schatz im Silbertal

Der nächste Tag, der Tag nach der Nacht im Einmetervierzigbett beginnt früh. Wir erwachen vom Tageslicht und dem Vogelgezwitscher draussen und beschliessen, unsere Wanderung sofort zu beginnen. Mehr als vier Stunden liegen vor uns und um 13 Uhr sind wir ein Date im Paradies und das Paradies lässt man natürlich nicht warten.

Wandern im Pfälzer Wald - Deidesheim

Schritt für Schritt auf dem Eselsweg im Pfälzer Wald

Diesmal starten wir am Parkplatz Mühltal oberhalb von Deidesheim, einem Parkplatz mitten im Wald, den wir gestern schon passiert hatten. Es kommt bei mir selten vor, am Morgen einmal die erste irgendwo zu sein. Heute ist es so. Wir sehen keinen Menschen und kein Auto, hören nur die Vögel und den leichten Wind. Der taufrische Morgen ist noch ganz präsent und so stapfen wir los, hinein in den endlosen Pfälzer Wald, der so herrliche Namen wie Teufelskopf, Weißer Stein, Wegspinne oder Silbertal bereit hält. Ich erinnere mich sofort an die Zeit, in der die 5 Freunde mein ständiger Wegbegleiter waren. So habe ich es mir vorgestellt, wenn ich meinen Kassetten mit den Geschichten lauschte, in denen Julian, Dick, Anne und George und Timmy den Hund auf Wanderschaft gingen, durch die Wälder streiften, zelteten und dabei ihre zahlreichen Abenteuer erlebten.

Eselsweg Pfälzer Wald Deidesheim

Immer dem Esel nach!

Von Eseln und Haien

Wir folgen dem Eselsweg und dem blauweißen Wanderzeichen und passieren zuerst die Waldschenke, bei der um diese Zeit noch niemand zu sehen oder zu hören ist. Der Weg führt uns weiter und weiter nach oben, über Waldwege und schmale Pfade in Richtung Silbertal. Nach einer guten Stunde treffen wir auf die ersten Wanderer, eine Familie mit zwei Kindern, die es sich auf einer Bank mit Blick ins Silbertal gemütlich gemacht hat. Die erste Gast- und Raststätte ist das Forsthaus im Benjental , die zwar auch noch geschlossen hat, doch schon lange bevor wir sie sehen können, weht uns der Geruch von kochendem Sauerkraut in die Nase. Man macht sich bereit für den Ansturm der Mittagsgäste, die an diesem sonnigen Sonntag zweifellos zahlreich erscheinen werden. Von hier aus marschieren wir weiter den Berg hinauf, immer dem blau-weißen Schild folgend. Wir werden von einer Truppe Mountainbiker überholt, die ordentlich pustend auf dem schmalen Waldpfad an uns vorbei strampeln – oder laufen. “Wandern tu ich auch gern”, keucht einer der Radschieber. Wir sehen sie noch öfter, immer wieder müssen sie eine Pause einlegen und auf einen der Nachzügler warten. An der Ausrüstung kann es nicht liegen, bemerkt der Mann. Die sei top, es sei wohl eher die Kondition.

Naturpark Pfälzer Wald - Deidesheim

Der grüne Hai im Pfälzer Wald

Zu spät im Paradies

Ich gebe es zu: wir haben uns verlaufen. Jedenfalls sind wir nicht mehr da, wo wir sein wollten. Wir machen das immer so: vor der Wanderung wird die Wanderkarte mit dem Handy abgelichtet. So finden wir unseren Weg. Meistens. Oder eben auch nicht. In diesem Fall deckt die Karte unser Wandergebiet überhaupt nicht mehr ab, wir sind im Nirgendwo des großen Pfälzer Waldes gelandet und entscheiden, dass wir weiter in Richtung Weinbiet wandern, ohne genau zu wissen, was das ist. Unten an einem Baum hatte jemand ein in Klarsichtfolie verpacktes Schild befestigt an dem etwas von Bauarbeiten bis Anfang 2015 stand, ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass April noch zu Anfang 2015 zählt und so standen wir vor verschlossenen Türen, als wir eine gute Stunde später japsend auf der Kuppe eintrafen. Baustelle, eindeutig. Mhm. Hier oben gibt es außer dem Weinbiethaus, das, wenn es denn geöffnet ist, sicherlich eine tolle Einkehrmöglichkeit bietet, einen großen Kinderspielplatz, einen Panoramaturm und einen Rundfunksendemast. Die Beschilderung sagt, dass es von hier aus 11,7 Kilometer zurück nach Deidesheim seien. Wie bitte? Eines stand fest: nie und nimmer würden wir um 13 Uhr im Paradies eintreffen.

Fenster im Ferienhaus Königsbach

Bunte Fensterläden: Ferienhaus in Königsbach

Wir starten den Rückweg gen Benjental, vorbei am Hai, einem moosbewachsenen Stein, der von einer Seite tatsächlich aussieht wie ein Hai, inzwischen ein wenig müde und geschafft doch mit der Aussicht auf eine große Traubensaftschorle im Forsthaus Benjental, das bei unserer Rückkehr geöffnet haben dürfte. Eine gute Stunde später sitzen wir an einem Tisch in der Sonne, trinken und essen etwas und fühlen uns gestärkt für die letzte Etappe der Wanderung entlang eines Bächleins über Gimmeldingen und Königsbach entlang des Panoramawegs Mandelblüte zurück nach Deidesheim. Weitere acht Kilometer liegen zwischen uns und dem Paradies.

Pfalzblick Gimmeldingen

Gaststätte Pfalzblick bei Gimmeldingen

“Ist das wirklich unser Parkplatz?” frage ich zaghaft. Ich bin nun genug gewandert und habe Sorge, dass wir noch einen Weinberg mehr umrunden müssen. Ich habe Glück und um 13:30 Uhr treffen wir nach vielen Mandelblüten wieder auf dem Parkplatz Mühbachtal ein, inzwischen voll mit Autos deren Inhaber wahrscheinlich zur nahgelegenen Ausflugsgaststätte “Pfalzblick” laufen, die wir vorhin passiert hatten.

Wir fahren jetzt ins Paradies. Davon erzähle ich Euch auch noch. Aber jetzt brauche ich eine Pause!

Uff Widdesehn!

 

Bitte hinterlasst mir Eure Kommentare! Hat’s gefallen? Habt ihr selbst noch Tipps?

Panoramaweg Mandelblüte Pfalz

Ausblick vom Panoramaweg Mandelblüte Pfalz

 

 

 

You Might Also Like