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Juist, völlig eingefroren

By 5. Januar 2016 Deutschland, Popular Posts, Unterwegs
Eisstrand Juist 2016

Blitzeis, warnt ein selbstgeschriebenes Schild an der Haustür vom Hotel Pabst. Ein kleiner Junge mit dunkel gelocktem Haar will unbedingt nach draußen. Da rutscht nämlich gerade ein doppelt ungewöhnlicher Anblick vorbei: erstens ist da ein Automobil zu sehen und zweitens handelt es sich dabei um den orangefarbenen Rettungswagen. Dazu muss man wissen, dass auf Juist nur der Arzt, die Feuerwehr und eben das Rote Kreuz Autos besitzen. Alles andere wird mit Pferd und Kutsche erledigt.

Anstatt zu fahren, schlittert der Rote Kreuz-Wagen auf spiegelglatter Fahrbahn die Strandstraße hinunter, dabei kommt er der Hausecke des Hotel Pabst gefährlich nah. Ihn aufzuhalten, scheint unmöglich, das Eis unter seinen Reifen nimmt dem Fahrer jegliche Kontrolle. Eine dick eingepackte Frau mit Socken über den Schuhen – gegen das Ausrutschen – hüpft emsig vor dem Wagen herum und streut eifrig Sand aus einem Eimer auf die vereiste Straße. Wir beobachten das Schauspiel gebannt. Sehr langsam kommt der Wagen schließlich zum Stehen. Puh, denke ich, das war knapp. „Das war es mit den Rettungsfahrzeugen“, sagt die junge Frau neben mir trocken. Der Junge ist enttäuscht, er wollte so gerne das Martinshorn hören.

Draußen zeigt sich bei diesem Wetter kaum eine Menschenseele und wenn, dann ist sie bedeckt mit Eis, geht wie auf Eiern und trägt Socken über den Schuhsohlen, gegen das Eis.

Juist Eiszeit 2016

Eis auf Jacke

Juist, völlig eingefroren

Seit heute Nacht ist Juist eingefroren, überzogen von einer zarten Eisschicht, die das tägliche Leben unmöglich macht. Kein Pferdegetrappel, keine Kutsche, keine Kommandos der Kutscher sind zu hören. Die Insel ist noch mehr als sonst zur Ruhe gekommen.

„Die Leute sollen doch bitte einfach zu Hause bleiben“, sagt die immer noch neben mir stehende Frau kopfschüttelnd. „Wenn sich hier einer ein Bein bricht, kann der Rettungswagen jedenfalls nicht kommen. Eben habe ich doch tatsächlich eine Oma gesehen – mit Rollator. Als ob der etwas bringen würde?“ Etwas beschämt öffne ich denn doch die Tür und traue mich hinaus aufs Eis. Unter ihren kritischen Blicken schaukle ich vorsichtig zuerst in Richtung Dorf und dann nach oben zur Strandpromenade. Am Strand, so glaube ich, wird man jawohl gehen können. Ein naiver Gedankengang.

Eisstrand Juist 2016

Schlitterpartie auf Eis am Strand

Strand mit Eis und Sahne

Der Sand am Strand und an den Strandabgängen liegt da wie versteinert. Genau wie Straßen und Gräser und Zweige samt den letzten Beeren ist alles überzogen von Eis. Ich wage es noch nicht hinunter, zu gefährlich scheint mir der kurze Abstieg und vor allem der Aufstieg. Einige wenige Gestalten sehe ich unten am Wasser, das sich jetzt bei Ebbe weit zurück gezogen hat. Als ich später im Lütje Teehus bei einem Chai Tee Latte sitze, höre ich wie jemand erzählt, dass er bei diesem kalten Ostwind ganz sicher nicht runter zum Meer gehen würde, selbst wenn er könnte. Das käme ja einem Selbstmord gleich. Mhm, alles richtig gemacht, denke ich.

Am nächsten Tag probiere ich es doch. Der Tag beginnt freundlicher, die Juister haben inzwischen weißen Sand auf die Hauptstraßen und die Bürgersteige gestreut. Wie aus langer Haft Entlassene tummeln sich die Gäste draußen auf den Straßen, schließlich hatten sie alle für einen Tag so etwas wie Hausarrest.

Eisstrand Juist 2016

Kurhaus über Eisstrand

Eisstrand Juist mit Kurhaus 2016

Eisig weht der Ostwind

Hundeschlittern

Hunde schlittern auf den gefrorenen Gehwegen herum, Erwachsene lachen sie aus. Kleine Kinder in überdimensionalen Skianzügen und dicken Stiefeln purzeln bei ihren Spielen übereinander. Sie lachen, die Stimmung ist gut. Jeder scheint erfreut über den geschenkten Tag. Vor dem Kurhaus bildet sich eine lange Schlange all derer, die wissen wollen, ob denn nun Morgen ein Schiff fahren wird. Wir haben es nicht eilig und laufen die paar Schritte vom Hotel Pabst zur Strandpromenade hinauf. Gemeinsam wagen wir den Abstieg über das Eis. Unten pustet der Ostwind noch schneidender als oben. Das Gesicht tut weh, die Augen tränen, die Nase läuft sowieso. Wir stiefeln vorsichtig vor bis zum Wasser, überspringen das Pril an einer flachen Stelle und spüren endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Die Nordsee klatscht träge an den Sand, irgendwie teilnahmslos. Für sie ist alles wie immer, ein bisschen Eis. Na und? Ich zücke mein Handy und mache Bilder, wenige, denn die Kälte lässt meine Finger erstarren, nach wenigen Sekunden spüre ich nur noch beißenden Schmerz. Schnell wieder die Handschuhe anziehen, ohne die Finger auszustrecken eine Faust im Handschuh ballen und mich mit dem Rücken gegen den Wind stellen.

„Komm, wir gehen zurück“, rufe ich, „das halte ich nicht aus, zu kalt hier unten.“ Schnellen Schrittes traben wir zurück zum Pril, hüpfen hinüber und rutschen zurück über die wunderschöne Eisfläche zum Strandaufgang. Unterwegs bestaunen wir die eingefrorenen Reste der letzten Flut: Muscheln, Seetang, eine Feder. Wunderschöne Formationen, die die Natur uns präsentiert.

Eisstrand Juist 2016

Nordpol oder Juist?

 

Eisstrand Juist 2016

Wo sind die Schlittschuhe?

Eisstrand Juist 2016

Eisige Kälte und Eis unter den Stiefeln

Eisstrand Juist 2016

Eierlauf

Sanddorn-Grog auf Eis

„Wir sind Zeugen eines vielleicht einmaligen Naturschauspiels“, flüstere ich meiner Begleitung später demütig zu. „Vielleicht erleben wir das hier nur einmal in unserem Leben.“ Er nickt und wir trinken beide einen Schluck Sanddorn-Grog. Ich verstehe nun, warum die Friesen solche Getränke konsumieren.

Sanddorn Grog im Lütje Teehus 2016

Da hilft nur noch: Sanddorn Grog im Lütje Teehus

Am Hafen ist alles eingefroren, höre ich später jemanden erzählen. Es sollen aber Schiffe kommen, heute Nacht während der Flut. Am nächsten Morgen sehr früh um 6:45 Uhr sollen fünf Frisia Fähren ablegen, insgesamt 2.000 gestrandete Gäste müssen aufs Festland gebracht werden. Viel Glück.

Menschenströme eilen so schnell es eben geht bepackt mit Koffern und Fahrradkarren voll Gepäck Richtung Hafen. Ich folge ihnen. Was ist da los? Die, die die Fähren am frühen Morgen nehmen wollen, können jetzt schon ihr Gepäck aufgeben. Damit es später schneller geht.

Eiszeit auf Juist 2016

Eiszeit auf dem Weg zum Hafen

Kommen Se Morgen wieder

„Wissen Sie schon, ob und wann die Schiffe am Mittwoch und Donnerstag fahren?“ frage ich am Schalter der Frisia am Hafen. Schulterzucken. „Kommen Se Morgen wieder.“ Gut.

Im Café Baumann am Schiffchenteich ist jeder Tisch belegt und es gibt nur ein Gesprächsthema: die Abfahrt am nächsten, frühen Morgen. Die Leute sind entspannt, trinken Eierpunsch, Pils oder Grog und essen etwas. Vielleicht ist es ihr letzter Tag auf Juist. „Ich geh später in die Spelunke“, höre ich einen Teenagerjungen am Nebentisch sagen. „Das würde ich mal schön lassen“, erwidert die Mutter. „Du musst Morgen um vier Uhr aufstehen.“ Die Spelunke ist eine der Kneipen auf der Insel, sie sieht genauso aus wie sie klingt und gehört zu den Institutionen, die sich den letzten 20 Jahren zumindest äußerlich kaum bis gar nicht verändert haben.

Am nächsten Morgen beim Frühstück mit noch genau 14 anderen Gästen erfahren wir die News des Tages: eine der fünf Fähren sei, mit 600 Gästen beladen, auf dem Weg vom Juister Hafen nach Norddeich-Mole im Watt stecken geblieben. Zu wenig Wasser unter dem Kiel. Nun dürften die Gäste bis heute Abend um 19:30 Uhr ausharren bis die Flut kommt und ihnen Wasser schickt. Kein vor und kein zurück, so sei es eben. „Das gibt es doch gar nicht“, sagt meine Begleitung. „Ich meine, das müssen die doch sehen!“ „Ja schon“, erwidere ich, „nur: was dann? Wenn das Wasser weg ist, ist es weg.“

Das Schild mit der Warnung vor dem Blitzeis hängt noch immer an der Tür. Vermutlich wird es da auch noch bleiben bis auf Weiteres. Wann wir von der Insel kommen? Mhm. „Kommen Se Morgen wieder.“

Blitzeis draußen - Juist Hotel Pabst 2016

Blitzeis draußen – Wärme drinnen im Hotel Pabst

Links:

Eiszeit auf Juist – ein nostalgischer Rückblick  

Passagiere stecken vor Juist mit der Fähre fest – NDR.de

 

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Eiszeit auf Juist – ein nostalgischer Rückblick

By 5. Januar 2016 Deutschland, Popular Posts, Unterwegs
Juist - Fotolia _TohPics

„Ich hab kein Bock mehr! Wieso fahren wir auch auf diese bescheuerte Insel, von der man nicht mehr runter kommt?“ Ein Teil aus einem Sketch? Nee, die pure Wahrheit. Ich sitze im Lütje Teehus und es gibt nur ein Thema: die Eiszeit auf Juist. Es wird gesprochen vom Ostwind, der das Wasser wegbläst, von sich dem Ende neigenden Lebensmittelvorräten auf der Insel, von Naturgewalt, für die ja keiner was kann und von Arbeitgebern, die damit leben müssten. “Bei Naturgewalt muss man sich keinen Urlaub nehmen”, ist sich ein Herr am Nachbartisch sicher. Fakt ist: keiner kommt derzeit weg von Juist. Die Schiffe können nicht passieren und die Flieger nicht starten, denn zum scharfen Ostwind hat sich Eisregen gesellt. Ausnahmezustand.

Eiszeit auf Juist

Eiszeit auf Juist so wie ich es als 17jährige in Erinnerung habe – @Fotolia_TohPics

Pferdepause – Juist versinkt im Eis

Der Hund schlummert faul unter dem Tisch, er scheint die unfreiwillige Pause seiner Herrchen zu geniessen. Meine vier Tischnachbarn samt pubertierender und sichtlich genervter Tochter schlagen die Zeit tot. Wie alle hier, denn draußen bewegen kann man sich nicht, viel zu glatt geschliffen sind die eisverkrusteten Straßen und Wege. Kein Pferdegtrappel, keine Kutschen, keine Fahrräder, nur wie auf Eiern laufende, schlitternde Menschen und Hunde, erstere dick eingepackt in alles, was der mitgebrachte Kleiderschrank her gibt. „So ist das eben auf Juist“, bemerkt die Mutter trocken. “So ist die Natur und damit müssen wir uns abfinden.” “Is’ doch scheiße”, grummelt die Tochter entnervt und nimmt noch einen Schluck Kakao.

Ein nostalgischer Rückblick

Ich saß zuletzt fest, als ich in der 12. Klasse war. Damals, mit 17,  hatte ich Silvester auf Juist verbracht, wir hatten es krachen lassen, mit Insel-Freunden, also solchen Freunden, die ich nur von der Insel kannte. Irgendwann waren wir uns über den Weg gelaufen, am Strand, im Zappel, der Inseldisco, oder im Köbes, der Inselkneipe, in die man eben ging. Man freundete sich an und wir trafen uns in diesen Jahren regelmäßig zu Silvester, Pfingsten und manchmal auch im Sommer.

Ausziehen, bitte! Bettgeschichte im Anmarsch!

Wir wohnten in für friesische Verhältnisse günstigen, aus heutiger Sicht zumeist recht grauseligen 70er Jahre-Unterkünften, mal allein, häufiger zu zweit mit mehr oder weniger bekannten Gesichtern, das war ja auch egal, damals, als es einzig darum ging, auf die Insel zu kommen und möglichst viel zu feiern und möglichst wenig zu schlafen. Das klappte immer gut. Ab und zu musste das Zimmer geräumt werden. Das geschah immer dann, wenn der oder die Zimmergenossin eine Bettgeschichte anschleppte. Dann musste man sehen, wo man blieb. Das war ok, da hielten wir zusammen.

In diesem Winter bedauerte ich das Hängenbleiben auf der Insel keinen einzigen Augenblick, denn ich war verliebt. Nicht nur in Juist sondern noch dazu in einen Jungen, einen Sänger mit langen, lockigen Haaren. Er studierte schon während ich das leidige Abitur vor mir herschob. Ich fühlte mich ständig zwischen Weinen und Lachen, Fliegen und über Wolken gehen. In meiner Erinnerung war es eines der wunderschönsten Silvesterfeste meines Lebens. Wir feierten im ersten Stock der damaligen In-Kneipe Köbes bis in den Morgen hinein, schliefen ein paar Stunden, um uns alsbald wieder zum Frühschoppen vor der Tür desselbigen zu treffen. Die Tage verrannen wie Sand zwischen den Fingern, natürlich viel zu schnell. Und das, obwohl wir unsere Uhren mit einem Juist-Aufkleber abgeklebt hatten, das machten wir zu der Zeit immer sobald wir die Fähre nach Juist betraten. Der Ausnahmezustand konnte beginnen und das tat er jedes Mal zuverlässig, doch zu unserem Leidwesen kannte die Zeit schon damals keine Gnade. Sie trabte trotzdem munter weiter und wir taten alles dafür, sie mit möglichst viel Inhalt zu füllen: reden, feiern, rauchen, spazieren gehen (einige von uns taten das natürlich nie) und bloss nicht schlafen.

Juist - Winterstaub

Juist – Schneestaub auf der Bank im Loog auf dem Weg zum Hammersee – wie damals @Fotolia_mahey

Kein Entkommen – und noch ein Grund mehr zum Feiern!

Als klar wurde, dass aufgrund des strammen Ostwinds und wabernden Nebels weder Fähre noch Flieger irgendjemanden von der Insel würde transportieren können, jubelten wir wie die Könige und empfanden die geschenkte Zeit als das größte Glück der Erde. 24 oder gar 48 Stunden mehr auf unserer Insel, mehr Zeit zusammen, mehr Zeit ohne Schule und Eltern und Verpflichtungen, die hier auf Juist nichts verloren hatten. Schnell war ausgemacht, wer wo mit wem übernachten könnte – um Geld zu sparen und sowieso. Es lief alles wie von selbst, war glasklar auch ohne viele Worte.

Einige der älteren Juistfreunde sahen die Sache weniger entspannt, sie hatten wichtige Termine und glaubten, dringend zurück zu müssen. Mir war das damals unverständlich. Ab dem zweiten, unfreiwillig auf Juist verbrachten Tag saßen sie auf gepackten Koffern, telefonierten ständig mit den Inselfliegern und machten sich ein ums andere Mal zum Flughafen auf in der Hoffnung, es vielleicht doch auf einen der Flieger  zu schaffen. Am dritten Tag hatte sich der Bekanntenstamm merklich reduziert, die meisten  waren ausgeflogen.

Wir anderen hätten vermutlich ewig auf der Insel bleiben können, wen interessierte schon die Schule und das bevorstehende Abi? Die paar Tage, mein Gott. Meine Eltern glaubten mir erst, nachdem eine kurze Meldung in der FAZ erschienen war und ihnen schwarz auf weiss bestätigte, dass mehrere hundert Gäste auf Juist festgesessen hatten. Handys gab es damals noch nicht, keine sozialen Kanäle, die etwas von der Insel hätten twittern können. Es gab genau drei Telefonzellen auf Juist, sie standen gleich neben der katholischen Kirche und es bildete sich meistens und zu dieser Zeit immer eine Schlange davor.

Am vierten Tag, zu  unserem Leidwesen, stieg die Temperatur und die Inselflieger gaben bekannt, dass der reguläre Flugverkehr nunmehr wieder aufgenommen würde. Mit Tränen in den Augen fuhren wir in einer Kutsche gemeinsam zum Flughafen und warteten darauf, auf die Chesnas verteilt zu werden. Sieben Minuten nach dem Start berührten unsere Füsse widerwillig wieder Festlandboden. Auf dem kleinen Parkplatz reihten sich Taxen aneinander, die die Ankömmlinge eifrig zu ihren Autos brachten. Autos, Straßen, Schnelligkeit – all das überfordert, wenn man von Juist kommt. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Jemand nahm mich in seinem Auto mit nach Hause, setzte mich vor der Haustür ab, auch das war klar, regelte sich von selbst und am frühen Abend sass ich wieder daheim am Esstisch und berichtete das, was für Elternohren bestimmt war.

Es waren schöne Zeiten, damals, als die Eiszeit nach Juist kam. Vielleicht begreift das die Teenagertochter am Nebentisch auch in ein paar Jahren. Wenn sie ohne ihre Eltern und dafür mit echten Juist-Freunden auf die Insel kommen darf.

 

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Juist macht Ferien – Tag 3 auf Juist

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Einer nach dem anderen macht die Schotten dicht und es scheint, als würde nun Juist und nicht die Gäste Ferien machen. Die Insel versinkt im Winterschlaf, ganz allmählich schließt ein ums andere Haus einfach die Türen zu und macht das Licht aus. Tschüss Juist, auch Insulaner brauchen mal Urlaub! Und die Pferde natürlich auch.

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Pferde auf Juist haben genug zu tun – und brauchen auch mal Ferien! Im Hintergrund: Schotten dicht!

Zuerst war es der Friesenhof. Ein Schild mit der Aufschrift „Betriebsferien“ verkündetet dort schon seit unserer Ankunft, dass diese Saison für die Crew vom Friesenhof beendet ist. Am 12. Januar ist es bei den Päbsten vom Hotel Pabst soweit und wir hören morgens beim Frühstück aus den Gesprächen der anderen, mehrheitlich westfälischen Gästen heraus, dass die Domäne Bill nun auch vorerst Ferien macht.

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Meine Herrschaften, der Wind lässt die kleine Cessna ordentlich tanzen, der Pilot hat Mühe, das Hinterteil nach dem Start wieder einzufangen. Die Propeller röhren, wir schrauben uns höher in den grauen Januar-Himmel und alsbald blicken wir auf das weite Wattenmeer hinter dem Deich, den wir jetzt gerade überqueren. Links liegt der Hafen von Norddeich-Mole und unten in der Wasserrinne steuert einer der Frisia-Kähne Juists Nachbarinsel Norderney an.

Juist im Januar 2015

Juist im Januar 2015

 

Flug nach Juist Januar 2015

Flugkapitäne bei der Arbeit: Flug nach Juist bei Windstärke 7,5

Im Mini-Flugzeug bei Windstärke 7,5

Vor uns liegt die 17 Kilometer lange und an ihrer breitesten Stelle drei Kilometer breite “schönste Sandbank der Welt”. Ihr Ende im Westen ist im Dunst der Wolken kaum zu erkennen. Die Sonne probiert immer wieder, die am Himmel dahin fegenden Wolken mit ihren Strahlen zu durchbrechen und ab und zu gelingt es ihr. Die Cessna kämpft sich weiter durch den Wind und schon befinden wir uns im Landeanflug auf Juist, rattern über das immer länger werdende Ostende hinweg, blicken in die Dünen hinunter und erkennen winzige Menschenpunkte auf dem Wanderweg entlang des Watts. Read More

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Juist off season: Jetzt ist die Zeit für echte Seebären!

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Juist off season, die beste Zeit für echte Seebären.

Unten schimmert das Watt in diversen Grautönen, oben rattern die Propeller der kleinen Cessna so laut, dass jede Unterhaltung unmöglich wird. Macht nichts, denn bei dem Anblick auf das weite Wattenmeer braucht es ohnehin keine Worte.

Juist zur Off Season

Mit der Cessna in 7 Minuten vom Festland auf die Insel.

Es ist nicht viel Wasser da unten. Manchmal stranden die Fähren auf einer Sandbank, wenn zu wenig Wasser in der Rinne steht. Einmal haben Urlauber sogar eine Nacht auf einem der Frisia-Schiffe verbracht. Aber keine Angst, das kommt sehr selten vor.

Wenn das Boot allerdings erst einmal auf einer Sandbank aufläuft, kommt es so schnell nicht wieder herunter. Dann heißt es warten auf die Flut, und die stellt sich ja bekanntlich erst nach sechs Stunden wieder ein. So etwas passiert, wenn man nach Juist will und den Wasserweg wählt. Juist ist eine der wenigen Inseln, die nur bei Flut, also maximal zweimal pro Tag per Schiff zu erreichen ist. Eben nur dann, wenn Wasser in der Rinne steht.

Früher, als es die Inselbahn noch gab

Ganz früher, das wüsste meine Oma besser als ich, gab es einen Anleger vor Juist, von dem aus die Inselbahn über eine heutzutage, würde es sie noch geben,  wohl verbotene Schienenkonstruktion auf Stelzen praktisch durch das Wasser Richtung Insel aufbrach. Was für ein Abenteuer! Ich erinnere mich vage an harte Holzbänke und Nordseewasser auf den Schienen. Und natürlich an den Empfang auf dem Inselbahnhof, der auch heute noch, wenn auch anderweitig genutzt, zu sehen ist. Dort saßen früher die bereits urlaubenden, wohl erholten und gebräunten Gäste auf der Mauer und schrien den Neuankömmlingen mitleidig entgegen: “Ohhhhh wiiiiiiie blaaaaaassss!”

Heute ist das natürlich alles etwas anders. Heute gibt es einen vergleichsweise großen Hafen mit einem eigens ausgehobenen Hafenbecken. Die Inselbahn ist Schnee von gestern, doch neue Gäste werden bei Ankunft noch immer abgeholt und die, die schon wieder nach Hause müssen, werden gebührend verabschiedet. Wenigstens von den Kofferträgern, die die Hotels zum Schiff schicken. Denn, ach ja, Autos gibt es ja keine auf der längsten Insel der Nordsee. Nur Pferde und Fahrräder. Und der Arzt darf in Notfällen natürlich auch zum Auto greifen.

Juist zur Off Season

Dünen, Himmel, Meer und Strand. So ist Juist, wenn sonst keiner da ist.

Wir, also meine Mutter und ich, reisen mindestens einmal im Jahr auf unsere Lieblingsinsel, die ich seit mehr als 30 Jahren und sie seit mehr als 60 Jahren regelmäßig besuche. Irgendwann packt uns beide die Sehnsucht..nach der Nordsee, der steifen Brise und dem längsten und für uns schönsten Strand der Welt. Wir brauchen dann das Pferdegetrappel auf den Kopfsteinpflasterstraßen beim Aufwachen, den vagen Geruch von Pferdeäpfeln in der Luft und das Geklapper der Fahnenmasten im Wind.

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Nebensaison: November für echte Seebären

Wir beide zusammen reisen immer in der Nebensaison, im November oder kurz vor oder nach Ostern, denn dann ist es verhältnismäßig leer auf Juist und unser Lieblingshotel Pabst lockt uns mit schönen Angeboten wie dem Champagner Arrangement: 4 Tage Juist, 4 Tage durchatmen, 4 Tage Meer und Himmel und wieder von vorne.

Fliegen oder Schiff?

Fliegen tun wir eigentlich nie aber diesmal musste es sein, denn wir haben es geschafft das Schiff zu verpassen. Tja, so sind wir. Reden soviel unterwegs, dass wir es auch nach so vielen Jahren noch schaffen, eine Ausfahrt zu verpassen. Und zu spät anzukommen an Norddeich Mole und uns ein bisschen dafür zu schämen, dass uns so was immer wieder passiert und gleichzeitig ziemlich froh sind, dass wir “unter uns” sind und wenigstens kein Dritter dumme Kommentare loslässt. Wir buchen uns den Flug und lachen drüber. Hat doch alles geklappt, sagen wir dann, und die Begebenheit wird zu einer neuen Geschichte.

Fliegen bei Windstärke sieben ist nicht jedermanns Sache, schon gar nicht die meiner Mutter in einer Cessna mit acht Plätzen. Wir vertrauen dem wortkargen Piloten, der die Tour mehrmals am Tag fliegt, begeben uns in seine Obhut, schnallen uns an und brauchen genau sieben Minuten, um vom Festland in die Luft und von der Luft den Boden der winzigen Landebahn auf Juist zu berühren. Sieben Minuten,  die gerade ausreichen, um den Blick über das weite Wattenmeer, Norderney, die Nachbarinsel und natürlich das schmale Juist schweifen zu lassen. Vorausgesetzt, man öffnet die Augen, was meine Mutter erst nach einiger Überredungskunst und für einen sehr kurzen Moment wagte. Beim nächsten Mal. Wenn wir nicht das Gefühl haben, mit der nächsten Windböe bis nach Helgoland gepustet zu werden.

Wir krabbeln aus der Maschine und stehen auf der Landebahn im Wind und müssen uns anstrengen, um den kurzen Weg von dort zur Kutsche vor dem ebenso winzigen Flughafengebäude hinter uns zu bringen. Zwei Islandpferde und eine Kutscherin erwarten uns und die anderen neuen Gäste und nachdem letztere das Gepäck verstaut hat, trappeln die beiden Pferde gen Juist Dorf, vorbei an Dünen auf der einen und Wattwiesen auf der anderen Seite, in denen Fasanen und Möwen kauern, die sich heute bei dem Sturm energiesparend lieber am Boden aufhalten.

Schlafen bei den Päbsten

Nach gut 30 Minuten hält die Kutsche vor dem Hotel Papst, gegenüber des Köbes, in dem ich als Jugendliche diverse ausschweifende Parties gefeiert und Nächte durchgetanzt habe. Damals, als wir hier Pfingsten und Silvester verbracht haben und als erstes unsere Uhren mit einem Juist-Sticker abklebten, denn die Zeit, die brauchten wir hier nicht, sie sollte stehen bleiben weil es so schön war hier mit all den Freunden, die wir uns hier mindestens einmal pro Jahr trafen. Ein Ausnahmezustand war das. Und die Zeit, die ist natürlich nie stehen geblieben.

Juist zur Off Sesason

Strandpromenade: menschenleer und sonnig.

Hier also, im Hotel Papst gegenüber vom Köbes, der auch heute noch eine Kneipe ist, wohnten meine Mutter und ich für die nächsten 4 Tage, auf die wir uns schon seit dem letzten Jahr gefreut hatten.

Die Päpste führen ihr Familienhotel mit Leidenschaft und geben uns, also den Gästen, dieses wohlige Gefühl, wieder angekommen zu sein. Da, wo man am liebsten immer wäre, wo das Leben sorglos ist und der Wind alles, was noch anhaftet, einfach davon trägt. Die Päbste bieten den warmen Ruheraum für die Stunden nach den endlosen Strandspaziergängen über den endlosen weißen Sand am Meer entlang. Ordentlich durchgepustet kommen wir hierher zurück für einen Ostfriesentee oder verziehen uns gleich in den Saunabereich und bleiben dort, eingemummelt in flauschige Decken auf Liegestühlen mit dicken Matratzen und dösen vor uns hin.

Hotel Pabst

Hotel Pabst auf Juist
Foto: Hotel Pabst

Außerdem müssen wir einmal am Hammersee entlang und durch das Wäldchen zur Domäne Bill laufen und dort ein Stück Rosinenstuten essen. Danach geht es weiter um die Westspitze der Insel, das Ende der Insel, das immer weniger wird. Jetzt zur Nebensaison sieht man besonders deutlich, welche Kraft das Wasser entwickeln kann wenn man sich die abgerissenen Dünen dort hinten anschaut. Manchmal trifft man hier auch auf Robben, die am Strand liegen. Zarte Wesen, die man am liebsten streicheln möchte – und das natürlich nicht tut.

Lütje Teehus & Co.

Im Dorf gehört natürlich ein Besuch des Lütje Teehus im Januspark mit Ostfriesentee und frischer Waffel dazu. Und selbstverständlich gehen wir zum Ententeich und einmal in die katholische Kirche, denn hier waren wir beide, meine Mutter und ich gleichermaßen, in unserer Kindheit häufig mit meiner Oma, Mamas Mutter. Neben der Kirche stehen noch immer ein paar Telefonzellen, Relikte aus einer anderen Zeit. Damals bildeten sich Schlangen vor den gelben Kästen, denn niemand hatte ein Telefon auf dem Zimmer oder das Telefonieren von dort war zu teuer und von sowas wie einem Mobiltelefon konnte noch lange keine Rede sein.

Juist for Off Season

Auf dem Weg zur Mitte: der Januspark.

 

Einmal gehen wir auch über den Deich, in beide Richtungen, erinnern uns an die Inselbahn und bestaunen den Hafen. Wir gehen am Kino vorbei und schauen, was läuft, auch wenn wir nie eine Vorstellung anschauen. Abends sitzen wir schließlich bei Papst beim Abendessen und genießen unser Menü und das sorglos sein.

Und tschüss!

Am Tag vier frühstücken wir und stellen unsere gepackten Koffer vor unseren Türen, die der Gepäckträger pünktlich abholt und sie schon einmal zum Schiff bringt. Vor Ort müssen wir nur noch unsere Gepäckscheine bei ihm abholen. Sorglos eben.

Wir besteigen das Schiff und suchen uns bei kühlem Wetter einen Platz unten im Schiffsrumpf. Setzen uns neben und zwischen die wenigen anderen Passagiere, spüren das leichte Ruckeln, wenn das Schiff ablegen, hören das Schiffshorn tröten und schauen wehmütig zu, wie die kleine Insel sich immer weiter von uns entfernt und wir dem Festland entgegenfahren. Eine andere Welt auf der anderen Seite der Erde, so scheint es.

Es ist genug Wasser da an diesem Tag und ich bedaure das ein wenig. Gerne wäre ich noch ein bisschen länger geblieben, hätte die Zeit angehalten, nur für einen Moment, um noch nicht wieder zurück in die Realität zu müssen.

Gut zu wissen, dass das sorglos sein ganze 7 Minuten mit dem Flugzeug und 1 Stunde 30 Minuten mit dem Schiff entfernt liegt.

Auf der Fahrt zurück erzählen wir uns noch einmal von allem, was wir gesehen haben und ich sage: “Ach Mama, ich freu mich jetzt schon, wenn wir wieder kommen.” Und sie antwortet: “Ja, ich auch.”

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Anreise nach Juist

Übernachten auf Juist 

Hotel Pabst 

 

Juist zur Off Season

Juist: Strand und Strand und Sand.

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