Die Adresse “Am Sande” in Suderburg-Holxen will mein Navi partout nicht finden, Örtchen und Weg scheinen ihm zu klein. Dabei will ich doch pünktlich sein, schließlich hat mich Lama-Flüsterer Werner Schröder zum Wandern mit Lamas eingeladen.
Als ich endlich in die tatsächlich winzige Straße einbiege, beginnt es aus einem grauen Himmel zu tröpfeln. Irritiert suche ich nach Anzeichen von Lamas, eine Weide oder einen Stall zum Beispiel oder irgend etwas, das an Tierhaltung erinnert. In einem Fenster im ersten Obergeschoss eines an Schweden erinnernden Einfamilienhauses entdecke ich beinah versehentlich den orangen Schriftzug „Lama to go“. Kaum auf den Hof gefahren, öffnet sich auch schon die Haustür und ein freundlich dreinschauender Herr in den 60ern mit schwarzen Jeans, rotem Hemd, schwarzer Weste und festem Schuhwerk läuft mir entgegen. „Pünktlich auf die Minute!“ begrüßt er mich und stellt sich mir mit festem Händedruck als Werner Schröder vor. Er ist der Mann, der Mensch und Lama in der Lüneburger Heide zusammenbringt.
Die Lektüre des Artikels dauert ca. 5-10 Minuten.
Spucken Lamas wirklich?
Wir gehen durch ein Gartentörchen nach hinten in den Garten und da sehe ich sie schon: fünf Lamas stehen da wie angewurzelt hinter dem Zaun und recken ihre langen Lamahälse in die Höhe. Fünf Augenpaare fixieren mich neugierig aus der Distanz. „Oje“, rufe ich mit einem Lächeln. „Die spucken mich jetzt nicht an, oder?“ Das meine ich allerdings ernst. Von Lamas wusste ich bisher nur, dass sie ordentlich spucken können, wenn es drauf ankommt.
Aus der Terrassentür wedelt mir im selben Moment eine schwarze Irish-Setter-Mischung entgegen, gefolgt von Wiebke Schröder, die zusammen mit ihrem Mann Werner das Wandern mit Lamas in der Lüneburger Heide ins Leben gerufen hat. „Die Frage nach dem Spucken ist immer die erste, die ich höre“, verrät Herr Schröder schmunzelnd.
Die Antwort lautet ja, Lamas spucken. Jedoch tun sie das selten und wenn, dann hat es einen triftigen Grund. Futter verteidigen zum Beispiel oder sich vor unliebsamen Angreifern schützen. Ebenso kann ein sehr strenges Parfum Lamas dazu veranlassen, eine Spuckfontäne auszustoßen. So geschehen bei einer Freundin von Frau Schröder, der das sehr peinlich war. Lamas spucken nämlich nicht nur Spucke sondern auch einen grünlichen Brei aus halb verdauten Grasresten, der sich ziemlich eklig anhört. Die Freundin wird bei einem nächsten Besuch wohl auf ihr Parfum verzichten. Wiederkommen will sie trotzdem. Die Lamas haben etwas Erhabenes, ein bisschen so, als kämen sie aus einer anderen Welt.
Das liegt vielleicht auch daran, dass sie sich untereinander über leise Summgeräusche verständigen, die ganz sanft klingen und eine beruhigende Wirkung auf mich ausüben. Man wird in ihrer Nähe auf wundersame Weise selbst ganz leise und behutsam.
Lamas, Schönheit und Charakter
Herr Schröder stellt mir seine Lamas vor, drei Damen und zwei Herren, die allerdings ihrer Männlichkeit beraubt sind. Lamas paaren sich nämlich nicht nur zu bestimmten Zeiten sondern ständig. Das Resultat kann man sich ausmalen. Vor mir stehen die braun-weiße Opala, Herdenchefin, die schöne Netiri, die einmal einen Schönheitswettbewerb gewonnen hat, der ihr zu Kopf gestiegen ist, Katara, die Gutmütige, Dancer, der Temperamentvolle und Kilkenny, der Graue mit dem langen Brustfell. Jedes Tier hat seinen Platz in der Herde, das, das sich am besten durchsetzen kann, liegt vorne.
Wir entscheiden uns aufgrund des anhaltenden Regens, den die Lamas übrigens genauso wenig mögen wie die meisten von uns Menschen, zunächst für ein Gespräch auf der überdachten Terrasse. Von oben plätschert der Regen auf das Dach und ich beobachte, dass sich drei der Lamas in ihrem roten Verschlag unterstellen. Einen richtigen Stall gibt es nicht, denn Lamas leben draußen, bei jedem Wetter. Die drei Damen, so erklärt mir Herr Schröder, dürfen sich vor dem Regen unter das schützende Dach begeben, die Herren jedoch müssen draußen im Regen ausharren und aufpassen. Klare Rollenverteilung, denke ich.
Was wissen Sie denn bisher über Lamas?
Ich lerne, dass die Lamas aus den südamerikanischen Anden stammen, einer kargen Gegend, in der Nahrungsaufnahme beschwerlich ist. Das führt dazu, dass die wiederkäuenden Lamas, die ähnlich wie Kühe mit vier hintereinander liegenden Mägen ausgestattet sind, hier in der Heide an allem zupfen wollen, was ihnen appetitlich erscheint. Dort wo sie herkommen war Nahrung rar und ständiges Fressen überlebensnotwendig. Dick werden sie dabei nicht, schließlich futtern sie sich an kalorienarmen Gräsern satt.
Die Herdentiere gehören wie Kamele zu den Schwielensohlern. Dort, wo Pferde und Esel nicht mehr weiter kommen, werden Lamas in ihren Heimatländern wie Peru oder Chile als Lastentiere eingesetzt. Zwar können sie nicht sehr viel Gewicht tragen, doch sie sind zäh, ausdauernd und genügsam. Ebenso haben sie ihren eigenen Kopf.
Obwohl die Schröders seit dem Jahr 2011 mit ihren Lamas zusammen leben, werden sich die Tiere nie domestizieren lassen, sie bleiben Wildtiere, erklärt mir Herr Schröder. Wenn ein Lama nicht will, dann will es nicht. Da hilft auch kein Ziehen oder Schimpfen, im Gegenteil wendet sich das Lama dann erst recht ab. Lautstärke und Härte vertragen sie nicht, dann werden sie stur und verdrücken sich oder bleiben bis auf Weiteres wie angewurzelt stehen. Selbst dabei haben sie noch etwas Anmutiges an sich.
Lamas, die Delfine der Weide
Während Dancer und Kilkenny im Regen liegend mit eingeklappten Beinen auf der Weide vor sich hindösen, erzählt mir Herr Schröder seine Geschichte. Er war im früheren Leben Diplompädagoge, zuerst in sozialen Berufen und dann in einer Berufsschule. Irgendwann kam er im Rahmen seiner Tätigkeit in ein Heim für behinderte Menschen, in dem Therapie mit Hunden eingesetzt wurde. Er beobachtete, wie ein schwerstbehindertes Mädchen mit spastischen Verkrampfungen sich innerhalb weniger Minuten vollkommen entspannte und sogar die Augen öffnete, als sie von einer Labradorhündin beschnuppert und abgeleckt wurde. „Es war faszinierend“, berichtet er mit immer noch glänzenden Augen. Er hat dann angefangen, sich intensiv mit Therapie durch die Nähe von Tier und Mensch zu beschäftigen. Wie er zu den Lamas kam? Immer wieder tauchten sie in der Literatur als „die Delfine der Weide“ auf und schließlich begann er, sich nur noch mit ihnen zu befassen.
Zwei Jahre vor seiner Pensionierung, die war im Jahr 2013, zogen die ersten Lamas auf die Weide hinter dem Haus im Haberkamp ein. Danach folgten weitere, heute ist die Herde auf fünf Tiere angewachsen und das reicht den Schröders. Für den Moment.
Therapie durch Lamas?
Was sich seit dem bei den beiden verändert hat, frage ich. Sie seien seit fünf Jahren nicht mehr im Urlaub gewesen, sagen sie, und sie lachen dabei. Sie fühlten sich einfach nicht mehr urlaubsreif. Und die Lamas allein zu lassen käme für sie sowieso nicht in Frage. Außerdem seien sie beide ruhiger geworden und auch wenn es vielleicht merkwürdig klänge, hätten sie Demut gelernt. Vor dem Leben, der Natur, anderen Menschen.
Dazu muss man wissen, dass Wandern mit Lamas in der Heide nicht nur für touristische sondern durchaus auch für therapeutische Zwecke Anwendung findet. Die Schröders gehen mit ihren Lamas in Altersheime und Hospize oder nehmen schwer vermittelbare Jungendliche mit auf ihre Touren. Es sei zum Teil unglaublich, was sich in kürzester Zeit bei den Menschen täte. Es sei wunderschön erleben zu dürfen, wie sie sich durch die Tiere öffneten, weicher und verständnisvoller würden.
Wie geht Wandern mit Lamas? Alles, was man wissen muss
Lamas sind Herdentiere, das heißt, dass möglichst alle fünf Lamas mit dabei sein müssen. Wenn einer fehlt, gibt es Unruhe in der Herde. Die Menschen suchen sich ihr Lama aus, manchmal nimmt ihnen auch das Lama die Entscheidung ab. Das passiert dann, wenn die Charaktere einfach nicht zusammen passen wollen. Auch das kommt vor, dann werden die Tiere gewechselt. Unangenehm sein muss das niemandem, bisher hätten sich noch immer Paare gefunden, die miteinander klar kämen. Herr Schröder erklärt den Annährungsprozess zwischen Mensch und Lama – Auge in Auge und manchmal Nase an Nase, wie bei den Eskimos. Denn Lamas nehmen Kontakt über das Gesicht und die Augen auf. Die Hände bleiben auf dem Rücken und langsam nähert man sich dem Lama, Schritt für Schritt und mit ständigem Augenkontakt. Zum Schluss soll man den Kopf ein wenig vorstrecken und je nach Nähewunsch des Tieres – das ist ganz ähnlich wie bei uns Menschen – kommt einem das Lama mit seiner Nase entgegen. Manchmal soweit, dass Lama- und Menschennase sich berühren.
Da stehe ich, im Regen mit einem Lama an der Leine
Ich beginne mit Katara, der Gutmütigen. Wir begrüßen uns wie erklärt und ich bekomme tatsächlich einen sanften Nasenstupser. Das fühlt sich wunderbar an, liebevoll, neugierig, weich und die kurze Berührung macht mich auf der Stelle glücklich. Ich bekomme den roten Führstrick in die Hand gedrückt und dann traben wir los in Richtung Parcours, der sich hinter dem Paddock anschließt. Wir laufen Zickzack und ich merke schon, dass Katara mich zwar walten lässt, sie aber nur mitmacht, was sie selbst auch für angenehm befindet. Ich klopfe ihr das weiche Fell am langen Hals und stelle fest, dass sich darunter festes Muskelfleisch verbirgt. Schließlich müssten sie ja immer den Kopf oben behalten, sagt Frau Schröder.
Als nächstes tauschen wir Lamas und Herr Schröder übergibt mir Dancer, den Temperamentvollen. Ich spüre sofort, dass dieses Tier Energie in sich trägt. Sein Körper scheint ständig zu vibrieren, alles an ihm drückt Kraft und Tatendrang aus. Manchmal reckt er seinen Muskelhals nach oben und blickt mit großen Augen auf mich herunter. Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll und beginne intuitiv, mit ihm zu sprechen. So, wie ich es früher mit unseren Hunden gemacht habe. „Na komm“, höre ich mich sagen. „Wir schaffen das schon zusammen.“ Und: „Na, kommst Du mit?“
Lama-Liebe
Zum Schluss stehe ich, nass vom Regen, den ich komplett vergessen habe, inmitten der Lamas im Paddock und begrüße diejenigen, mit denen ich noch nicht direkt das Vergnügen hatte. „Bei Opala hilft es, wenn Sie leise ihren Namen murmeln“, verrät mir Frau Schröder. Die Hand hinhalten bringt nichts, sagt sie, wohl aber etwas Süßes, das mögen die Lamas.
Als ich später in meinem Auto sitze und der Regen auf das Autodach prasselt spüre ich, dass sich ein wohliges Gefühl von Ruhe und ja, auch Demut, in mir ausgebreitet hat. Nicht nur die Lamas, sondern auch die Schröders sind eine Reise nach Holxen bei Bad Bevensen wert. Hier haben sich fünf Lamas und zwei Menschen gesucht und gefunden. Ich gebe Gas und rolle langsam aus dem Sande gen Hauptstraße. Im Rückspiegel winkt mir aus dem ersten Stock des Einfamilienhauses der orange Schriftzug „Lama to go“.
PS: Meine “Wanderung” fiel bedingt durch den starken Regen extrem abgespeckt aus. Normalerweise führen die Schröders ihre Gäste und Lamas für zwei bis vier Stunden mitten durch die schöne Lüneburger Heide.
FACTS & FIGURES:
Zweimal im Monat bieten Werner und Wiebke Schröder Wandern mit Lamas in Bad Bevensen an. Außerdem kann jeder private Touren buchen. Lama-Trekking eignet sich für alle Altersgruppen. Preise zum Beispiel ab 100 Euro für einen 2-stündigen Spaziergang, Therapie-Einzelstunde 40 Euro.
Weitere Informationen: www.lama-to-go.de
Die Reise wurde freundlicherweise unterstützt von TourismusMarketingNiedersachsen und Bad Bevensen Marketing. >3
7 Comments
Hallo Katharina, spannender und lustiger Artikel ;-). Gibt es noch weitere Anbieter von Lama-Wanderungen in Deutschland?
Glg aus Züri***
Liebe Magdalena, danke schön. Es IST lustig mit diesen Tieren, in der Tat! 🙂 Es gibt in ganz Deutschland verteilt Anbieter von Wanderungen mit Lamas, allerdings habe ich keine gute Seite gefunden, auf der es eine Übersicht gibt. Hier ein paar Links:
http://www.eifel-lamas.de
http://www.kisselmuehle.de => Rheingau
http://www.prachtlamas.de => Ruhrgebiet
http://www.lamawandern.de => Berchtesgaden
http://www.bayernlamas.de
http://www.vogelsberglamas.de => Hessen
http://urlaub.nuernberger-land.de/aktiv/wandern/wandervielfalt/lama-trekking.html
Auch in der Schweiz gibt es das übrigens! 😉
http://www.obwalden-tourismus.ch/erleben/sommer/weitere…/lamatrekking/
Lieblingsgrüße! Katharina
Danke liebe Katharina, klingt superspannend!
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es auch welche: http://kamelhof-sternbergerburg.de/%22
Ich bin einigen Llamas von dort begegnet, die eine Wanderung zum Freilichtmuseum in Groß-Raden gemacht hatten (das Museum zeigt eine rekonstruierte slavische Siedlung mit Ringwallburg, die ich mir voriges Jahr angeschaut hatte).
Hier sind ein paar Fotos: http://lostfort.blogspot.de/2015/12/llama-llama.html
Liebe Gabriele,
wie cool! Wenn ich die Fotos sehe, habe ich gleich wieder ein Lächeln im Gesicht. Die Tiere haben es mir wirklich angetan. In Meck-Pomm war ich bisher noch nicht – another spot on the list of Lieblingsflecken! 🙂
Lieblingsgrüße sendet Dir
Katharina
[…] Wandern mit Lamas! […]
719565 488715If youre needing to produce alteration in an individuals llife, during i would say the Are normally Bodyweight peeling off pounds training course are a wide path inside the direction of gaining any search. la weight loss 230955