“Nahrung soll nicht nur gesund, sondern auch schmackhaft sein!”
„Nehmen Sie Bailys Schnitte ganz ohne Mehl oder Harzer Hexenstieg Sahneschnitte aus Dinkelmehl?“ fragt mich die rüstige Mittfünfzigerin in weißer Kochweste und schwarzen Hosen. Elke Schnibbe ist meine heutige „Käuterhexe“, die mir alles über Wildkräuter und ihre heilende Wirkung erzählen wird. Außerdem führt sie zusammen mit ihrem Mann das Café Schnibbe in Bad Lauterberg im Harz.
Wir stehen vor einer langen Glasvitrine mit Torten und Keksen und Teilchen und Trüffeln. Eigentlich wollte ich heute mal keinen Kuchen essen. Blöde Idee bei einer Verabredung im besten Café der Stadt, ich entscheide mich für die Harzer Hexenstieg Sahneschnitte. „Ich vertrage seit drei Jahren kein Weizenmehl mehr“, sagt meine “Kräuterhexe. „Darum backen wir jetzt auch ganz ohne Mehl oder mit Dinkelmehl.“ Schließlich will sie nicht auf ihren eigenen Kuchen verzichten. Und im Trend liegt sie damit auch. In Bad Lauterberg übernimmt sie mit ihrem Konzept eine Vorreiterrolle.
Über Jahrzehnte betrieb Elke Schnibbe das Restaurant „ES“, benannt nach ihren Initialen, in dem etwa 20 Kilometer entfernt liegenden Osterode. Als sie ihren zweiten Mann Jürgen Schnibbe heiratete, kam sie nach Bad Lauterberg und begann, das Café Schnibbe um einen Mittagstisch und ein Schlemmerfrühstück zu bereichern. Für die Konditorei ist ihr Mann verantwortlich, sie steht weiterhin mit Leidenschaft am Herd.
Harzer Hexenstieg Sahneschnitte und dazu Brennnesseltee
Fachmännisch zwei Kuchenteller balancierend, marschiert sie vorweg aus dem Café hinaus, biegt links in die kleine Straße ab und erklärt mir unterwegs, dass wir zu ihr in den Kräutergarten gehen. Der liegt im Innenhof ihres Zuhauses. Wie viele Bad Lauterberger vermieten die Schnibbes Zimmer an Feriengäste. Im Hof sitzen zwei Männer in Motorradkluft und trinken nach gelungener Ausfahrt durch den Harz genüsslich Bier aus Flaschen.
Wir zwei Frauen nehmen Platz an einem Gartentisch in der Sonne, vor uns eine Glaskaraffe und Teetassen. „Mögen Sie Brennnesseltee?“ Noch nie probiert, sage ich, das gelbliche Gebräu ein wenig skeptisch beäugend. Sie erklärt mir, dass dies eine ihrer Lieblingsteemischungen aus Brennnesseln und Schafgarbe ist, beides natürlich frisch aus dem Garten gepflückt.
Der Tee fühlt sich überraschend sanft und weich an und schmeckt kein bisschen so wie der pieksende Schmerz, den die Nesseln auf der nackten Haut hinterlassen. Erstaunlicherweise passt er sogar zur Sahneschnitte, die mir augenblicklich ein genüssliches Lächeln ins Gesicht zaubert. Vielleicht liegt das auch an dem Schuß Eierlikör, den sie definitiv enthält.
Brennnesseln und Giersch: Unkraut oder Leckerbissen?
Wir stehen in ihrem Kräutergarten und ich, die sich mit Kräutern bisher eher peripher beschäftigt hat, lerne, dass Brennnesselsud gegen flusige Haare wirkt, Goldrute bei seelischen Sorgen hilfreich ist und Schafsgabe auch dann noch wirkt, wenn Hopfen und Malz bereits verloren sind. Ich erfahre, dass sie aus Fichtennadeln Gelée kocht oder sie in köstliches Parfait verwandelt.
Elke Schnibbe hat etwas sehr Naturverbundenes, spricht von Einheit und ich denke: verrückt, wie im Yoga. Sie sagt, dass wir die Natur und das, was sie hervorbringt, respektieren müssten. Selbst ungeliebtes Unkraut eigne sich für etwas und sei viel zu schade, um es einfach zu entsorgen. Der Giersch zum Beispiel, so erklärt sie mir, sei ein echtes Kraftpaket und eigne sich für Salate ebenso wie als Basis für Sirup. Letzterer mache sich übrigens bestens im Prosecco und wer ihn nicht essen oder trinken mag, kann immerhin seine Blüten für Blumengestecke nutzen.
Bücken, pflücken, waschen, schleudern, kochen – essen!
Seit zwölf Jahren beschäftigt Elke Schnibbe sich intensiv mit Kräutern. Ihre Generation – und sie allen voran – hätten es leider versäumt, das Wissen der Großeltern in Punkto Wildkräuter aufzunehmen. „Unsere Region“, erklärt sie. „ist unglaublich reich an einer großen Vielfalt von Pflanzen, die wir sorglos nutzen können.“ Wildkräuter wie Brennnesseln, Vogelmiere, Gundermann bis Knoblauchrauke, um hier nur einige zu nennen, seien nicht nur unglaublich reich an Vitaminen und Mineralstoffen, sondern besäßen gleichzeitig eine Heilwirkung.
Wenn sie im Café Schnibbe für den Mittagstisch sorgt – jeden Tag gibt es eine Auswahl zwischen Fleisch, Fisch und einem vegetarischen Gericht – landen Wiesenbärenklau, Sauerklee, Indisches Springkraut, Löwenzahn, Spitz- und Breitwegerich, Giersch, Goldrute, Holunder, Fichtennadeln, Beifuss und Bärlauch, Beinwell, Schlehen oder Sauerampfer als Rohkost oder verarbeitet in Saucen, Suppen, Süßspeisen oder Sirups auf den Tellern ihrer Gäste. Grundfonds und Suppen stellt sie selbstverständlich selber her, Geschmacksverstärker kommen bei ihr nicht auf den Tisch.
Das Café und der Mittagstisch ist darum nicht nur bei den älteren Stammgästen, sondern immer mehr auch bei der Generation 35 Plus beliebt. Es hat sich herumgesprochen, dass bei Frau Schnibbe auch der glücklich wird, der zum Beispiel unter Lebensmittelunverträglichkeiten leidet oder generell Wert auf eine gesunde, naturbelassene Küche legt. Am Wochenende pilgern sogar Gäste aus Braunschweig nach Bad Lauterberg, um bei ihr zu essen.
Wildkräuterwanderung durch den Harz
Wer noch viel mehr über Kräuter erfahren möchte, bucht eine Wildkräuterwanderung mit Elke Schnibbe. Regelmäßig führt sie zehn bis zwölf Personen durch ihre Heimat und erklärt, wie Kräutersuche geht und welche Kräuter welche Wirkung haben. Im Wald wird gepicknickt und zum Abschluss am Abend gemeinsam im Innenhof oder der gemütlichen Stube gekocht und gegessen. Meistens wird das lang und lustig, denn neben dem garantiert köstlichen Essen gibt es guten Wein dazu.
Was die Teilnehmer als Feedback geben, frage ich sie. Viele, sagt sie, würden danach mit ganz anderen Augen durch den Wald gehen. Das glaube ich gern und definitiv sind zwei Stunden Kräuterkunde zu wenig.
Meine “Kräuterhexe” legt ihre Zettel und Bücher zusammen. Sie hat viel zu tun, im Café herrscht jetzt in der Hauptsaison Hochbetrieb. Für mich steht fest, dass ich bald wiederkommen will, zum Mittagstisch und zur Kräuterwanderung. Wenn es heißt: Bücken, Pflücken, Waschen, Schleudern, Kochen – und Essen!
LINKS:
Kräuterwanderung in Bad Lauterberg im Harz mit Elke Schnibbe
Die Reise wurde freundlicherweise unterstützt von MeinNiedersachsen. <3
6 Comments
Das Café Schnibbe ist mein Lieblingscafé in Lauterberg. Sollte ich mal wieder hinfahren. Der Harz ist ja nicht soweit weg von Göttingen. 🙂
Liebe Gabriele, na dann los! 🙂 Frau Schnibbe ist ein Unikat! Beim nächsten Mal dann vielleicht mit Kräuterwanderung und auf jeden Fall die Harzer Hexensteiger Sahneschnitte probieren. 🙂
Lieblingsgrüße sendet Dir
Katharina
[…] Um 16:00 Uhr bin ich verabredet mit einer echten Harzer Kräuterhexe. Sie heißt Elke Schnibbe und ich soll sie im Café Schnibbe finden. Wie es weiter geht? Liest Du hier. […]
Liebe Katharina, so sieht man sich also wieder 🙂 Ich habe auch gerade über Elke Schnibbe geschrieben und werde auf deinen Beitrag verlinken, ich hoffe, es ist ok? Er wird morgen online gehen. Liebe Grüße, Andrea
Liebe Andrea, aber claro kannst Du verlinken! Ich hatte in letzter Zeit so wenig Zeit für meine kleinen Flecken und freu mich sehr über ein bisschen “Aufmerksamkeit”. Und zu Elke Schnibbe: was für eine coole Frau, oder? Ich habe sehr schöne Erinnerungen an meinen Besuch bei ihr. 🙂 Liebe Grüße & bis bald! Katharina
[…] Sie bietet ihre Kräuterwanderung im Harz regelmäßig an, vor allem jetzt im Frühjahr. Ihr Café findet sich hier, dort finden sich auch mehr Informationen über die Wanderungen. Und Katharina vom Blog Lieblingsflecken war auch schon mit Elke Schnibbe unterwegs, was sie erlebt hat, lest Ihr hier. […]