Ich sitze auf der Terrasse in der Sonne. Draussen, ohne Decke, in Fliessjacke und Jeans. Die Sonne steht tief, wärmt kaum aber doch ein bisschen. Ich blicke auf einen sattgrünen Rasen mit Gänseblümchen. Drüben bei den Nachbarn blüht eine Kirsche und rechts von mir strecken gelbe Blüten ihre feinen Blätter der Sonne entgegen. Finde den Fehler!
Verkehrte Welt
Wir schreiben das Jahr 2015 und es ist Dezember. Merkwürdig? Vielleicht nicht. Gerade las ich in der Zeitung, dass die Gradzahlen am Südpol sich aufgrund eines Sturmtiefs um 50 Grad erhöhen sollen – also nur kurz, es hätte nichts mit dem Klimawandel zu tun. Dieses Sturmtief, das sich weit über uns mit dem Hoch Christina anlegt, sei auch verantwortlich für die Überschwemmungen in Großbritannien. Soso. Worauf ich hinaus will ist dieses: dieser Dezember und dieser Jahresausklang erscheinen mir aus verschiedenen Gründen bizarr. Das Wetter ist die eine Sache, doch die andere ist ein sehr persönlicher Zustand der totalen Energielosigkeit. Die empfinde ich seit Anfang des Monats und irgendwie komme ich auch nicht aus ihr heraus.
Ahuuuuu! Der letzte Vollmond des Jahres
Neulich, in der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember, der letzten Vollmondnacht des Jahres 2015, erwachte ich kurzfristig und vollbrachte innerhalb einer Nacht Höchstleistungen: plötzlich und ohne Vorwarnung sprudelten die Wörter nur so aus mir heraus, ich erledigte all die mangels Energie liegen gebliebenen Aufgaben und konnte in der Morgendämmerung des anbrechenden Heiligen Abends schließlich auf die auf wundersame Weise zusammengestrichene To-Do-Liste herab blicken. Auch am Tag nach der durchgemachten Nacht fühlte ich mich fit. Und dabei schießt mir durch den Kopf, dass sich die Zeiten tatsächlich ändern: Früher, als noch mehr Lametta war, bedeutete eine schlaflose Nacht Feiern, Menschen, Musik und Abtanzen. Heute sitze ich allein an meinem Schreibtisch, höre Radio Spa auf französisch und arbeite. Auch das erscheint mir im Rückblick denkwürdig.
Wenn nix geht, geht nix
Was hat es also auf sich mit diesem Dezember, an dem so wenig geht bei mir, in dem es nicht so recht laufen will, abgesehen von kurzen Ausbrüchen von Kreativität und Schaffensdrang, der sich nach kurzer Zeit verflüchtigt. Ich recherchiere in Google herum, etwas Besseres fällt mir nicht ein, und suche Antworten. Zum Beispiel könnten die Sterne etwas damit zu tun haben. Fehlanzeige. Ich gebe also “Energie gering zum Jahresende 2015, warum” ein – und bekomme Informationen zu den neuen Stromtarifen. Auf einem Blog stoße ich bei der Suche nach der Antwort darauf, ob Faulsein schlimm sei, auf einen Artikel in der Augsburger Allgemeinen. Erfreut lese ich dort, dass Faulsein sogar gesund sein soll und schon Plato befand, dass Arbeit bestraft werden müsse. Sie sei unangemessen für die Menschheit. Ebenfalls wird G. E. Lessing, ein “anerkannter deutscher Großgeist” zitiert: „Lasst uns faul in allen Sachen,/ Nur nicht faul zu Lieb’ und Wein,/ Nur nicht faul zur Faulheit sein.“ Einigermaßen beruhigt stelle ich fest, dass mir die erleichternde Erkenntnis offenbar zu neuem Tatendrang verhilft. Es fühlt sich gut an zu wissen, dass mein Thema die gesamte Menschheit betrifft. Und nicht nur mich im Dezember 2015.
Ja, ist denn schon wieder…?
Weihnachten hat mich überrannt und ich frage mich ein wenig bang, ob es denn wohl Morgen, am ersten Tag des neuen Jahres, plötzlich anders wird mit mir und meinem aktuellen Energielevel? Springe ich Morgen aus dem Bett und erfreue mich einer unerklärlichen Klarheit, Wachheit, einem beinah vergessenen Tatendrang?
Mir ist in diesem Dezember die Zeit davon gerast. Ich war nicht vorbereitet darauf, dass es so schnell gehen würde und zum ersten Mal kommt es mir vor, als sei Weihnachten und der Jahreswechsel doch gerade eben erst gewesen. Natürlich revidiert sich das Empfinden bei genauerem Hinsehen, doch das Gefühl, das bleibt.
Ich erinnre mich an die Worte meiner Omas und Opas und Großtanten und Onkels, die ich damals, als ich Kind war und schon ein einziger Tag wirken konnte wie mindestens 8 Wochen, überhaupt gar nicht nachvollziehen konnte.
Kann es denn sein, dass, je mehr wir tun, vollbringen, anpacken in einem Jahr, dieses Jahr sich noch nur noch schneller dem Ende neigt? Ich kann es nicht erklären, doch es gibt mir zu denken. Vielleicht verfliegt die Zeit weniger schnell, je weniger tun. Das nehme ich mir vor für 2016: weniger machen und mehr genießen. Ganz ohne Reue.
So, das wäre von der Seele geschrieben und nun darfst Du kommen, 2016. Mit oder ohne Energie. Aufhalten lässt Du Dich ohnehin nicht und jetzt läuft auch schon “Dinner for one”.
Headerbild: fotolia; Gleb Tarassenko
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